Kontext:
Der Zweite Weltkrieg
Mit dem Angriff der deutschen Wehrmacht auf Polen
am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg. Obwohl die Schweiz in
militärischer Hinsicht vom Krieg verschont blieb, hatte er einschneidende
Folgen für ihr kulturelles, soziales, wirtschaftliches und politisches
Leben. Mit der Generalmobilmachung wurde ein grosser Teil der männlichen
Bevölkerung für den Militärdienst rekrutiert. Der Krieg stärkte
einerseits den Wehrwillen, die anfänglichen Erfolge Nazideutschlands
gaben aber auch faschistischen Bewegungen Aufwind. Auf die Flüchtlingsströme
reagierte die offizielle Schweiz mit restriktiven Massnahmen. Und die schwierige
wirtschaftliche Situation zwang das Land zu Rationierungen.
Generalmobilmachung
Die Schweiz reagierte auf den deutschen Angriff auf Polen mit der ersten
Generalmobilmachung, bei der 430 000 Soldaten einberufen wurden. Am 11.
Mai 1940, einen Tag nach Hitlers Angriff auf die neutralen Staaten Holland,
Belgien und Luxemburg, erfolgte die zweite Generalmobilmachung. Darüber
hinaus rekrutierte die Armee bis Ende Jahr rund 15 000 freiwillige Frauen
für den neu geschaffenen Frauenhilfsdienst (FHD). Zu diesem Zeitpunkt
wusste noch niemand, wie lange der Aktivdienst dauern würde und ob
die Schweiz auch angegriffen würde. Der rasche Zusammenbruch Frankreichs
im Juni 1940 zwang die Schweizer Armeeführung zu einer Änderung
ihrer Strategie: General Guisan beschloss, das Gros der Armee in die Alpen
zurückzuziehen, ins «Reduit». Mit seinem entschlossenen
Auftreten wurde Guisan zum Sinnbild des schweizerischen Widerstandswillens.
Neben der militärischen Landesverteidigung wurde über die so genannte
Geistige Landesverteidigung versucht, die nationale Einheit und den Wehrwillen
zu stärken, indem offiziell die «Schweizerische Eigenart»
hochgehalten wurde, deren Propagierung an der Landesausstellung in Zürich
1939 ihren Höhepunkt erreichte.
Frontenbewegung
Faschistische Ideen hatten auch in der Schweiz ihre Anhänger. 1933,
im «Frontenfrühling», waren frontistische Parteien bei
Wahlen zum Teil erfolgreich. Ihre antidemokratische Initiative zur Totalrevision
der Bundesverfassung wurde 1935 allerdings klar verworfen. Die militärischen
Erfolge Deutschlands im Frühling 1940 stürzten die Schweiz dann
in eine politische Krise, die auch faschistischen Bewegungen wieder neuen
Aufwind gab.
Flüchtlingspolitik
Die Schweiz gewährte zwischen 1939 und 1945 rund 60 000 zivilen Flüchtlingen
Schutz, über 20 000 wurden jedoch abgewiesen. Zusätzlich wurden
von der Fremdenpolizei rund 25 000 Einreisegesuche abgelehnt. Bereits 1938
hatte Deutschland auf Initiative der Schweiz begonnen, die Pässe deutscher
Juden mit einem J-Stempel zu versehen. Aufgrund ihrer ethnischen Herkunft
Verfolgte galten in der Schweiz nicht als politische Flüchtlinge und
wurden deshalb nicht aufgenommen. Im August 1942 verhängte der Bundesrat
eine allgemeine Grenzschliessung, obwohl er zu diesem Zeitpunkt über
den Massenmord an den Juden informiert war. Trotz landesweiten Protesten
wurde die restriktive Flüchtlingspolitik erst ab dem Spätherbst
1943 gelockert. Neben zivilen Flüchtlingen nahm die Schweiz rund 104000
ausländische Armeeangehörige aus 37 Nationen auf. Die Soldaten
wurden meist in Lagern interniert und ab 1941 in der Landwirtschaft, aber
auch im Strassenbau, in der Industrie oder für Waldarbeit eingesetzt.
Wirtschaftspolitik
Der Zweite Weltkrieg hatte auch einschneidende wirtschaftliche Folgen für
die Schweiz. Das Ziel der nationalen Wirtschaftspolitik war die Aufrechterhaltung
der Handelsbeziehungen. Dies sollte die Landesversorgung mit Rohstoffen
garantieren. Der Export von kriegswichtigen Gütern nach Deutschland
und Italien stieg beträchtlich. Bis 1944 blieben die zwei Achsenmächte
die wichtigsten Handelspartner der Schweiz.
Um Hamsterkäufe zu verhindern, wurden im November 1939 die Lebensmittel rationiert und nur noch gegen Lebensmittelmarken verkauft. 1942 betraf die Rationierung auch Milch und Brot. Bereits im Frühling 1939 hatte der Bundesrat den landwirtschaftlichen Mehranbau verfügt. Dieser wurde mit Anbaupflicht, obligatorischem Landdienst und durch umfangreiche Propaganda zur «Anbauschlacht» stilisiert.